Grensing

Business Technology Consulting GmbH

Drei Thesen zum Thema "SAP-Projekte und Veränderung"

2020-01-24

Change happens

Eine S/4-HANA-Einführung kann in Ihrem Unternehmen große Veränderungen bewirken, sagt man. Auch bei den erstmaligen SAP-Einführungen, die in vielen Unternehmen vor vielen Jahren stattfanden, war das so. Ich war bei einigen solchen Projekten dabei. Daher möchte ich dazu drei Thesen diskutieren:

1. Je größer das Projekt, desto ungewisser die Veränderung

Große (i.d.R. Greenfield)-Projekte gehen selten mit festgelegten geschäftlichen Aufgabenstellungen ins Rennen. Ziel ist erst einmal ein neues System. Dessen Fähigkeiten sind es, die - zumindest theoretisch - das Unternehmen in die Lage versetzen, Prozesse bis hin zu Geschäftsmodellen wettbewerbsrelevant zu verändern. Jedoch: kann man das planen?

Die Katze beisst sich hier in den Schwanz: es ist genau diese Planung, die in großen bis sehr großen Projekten den größten Aufwand verursacht und daher massiv arbeitsteilig betrieben wird. Unterschiedliche Fähigkeiten der beteiligten Personen, unterschiedliche Interessenkonstellationen, unterschiedliche Unternehmens- und Länderkulturen können, müssen aber nicht bedeuten, dass die Ergebnisse den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen - dabei immer im Auge behaltend, dass der Schwerpunkt des Projekts in der migrierbaren Abbildung des bestehenden Massengeschäfts und der Einhaltung des geplanten Zeitplans liegt. Damit werden wettbewerbsrelevante Veränderungen zur politischen Manövriermasse und zum Objekt der Risikominimierung: lieber weniger ändern, wenn es den nächsten Meilenstein gefährden könnte!

Ganz verhindern lässt sich diese Situation wahrscheinlich nicht. Man kann sie aber beeinflussen, in dem das Projekt seine Prioritäten unter klaren und deutlich kommunizierten Vorgaben setzen muss und man bei der Auswahl geeigneter Ressourcen den Qualitätsaspekt bei Betrachtung der preislichen Alternativen nicht gleich von vornherein aus dem Fenster wirft.

Man versucht in großen Projekten, Veränderungen über ein instituionalisiertes Change Management in der Organisation zu verankern. Oftmals geht das nicht weit über das Verteilen von Kaffeetassen mit Projektlogo hinaus: die schiere Vielzahl an "Mikroänderungen" und deren zeitlich späte Definition ist frühestens bei den Anwenderschulungen relevant und bei großen und relevante Änderungen ist das Management hoffentlich sowieso frühzeitig involviert. Es kommt also darauf an, die Change-Management-Rolle von Anfang an so sinnvoll zu definieren damit - bei aller Wichtigkeit von Kaffeetassen - Veränderungen frühzeitig registriert, bewertet und kommuniziert werden und aufkommendes Feedback gleichzeitig zurückgespielt wird.

2. Veränderung geschieht oft an unerwarteten Stellen

Aus der Praxis kenne ich zwei hauptsächliche Treiber unvorhergesehener Veränderungen: "anforderungsstarke" Projektmitarbeiter und die Nutzung "unerwarteter" SAP-Module. Beides ist in aller Regel mit Funktionalität verbunden, die der handelsübliche SAP-Berater meistens nicht in seiner Release 4.6-Schulung im Jahre 1998 mitbekommen hat oder es führt zu ausführlichen Zusatzentwicklungen. Beides ist Chance und Risiko, weswegen es grundfalsch wäre, solchen Vorhaben von vornherein einen Riegel vorzuschieben - davon abgesehen habe ich eine Schwäche für seltene SAP-Module. Diese Dinge geschehen aber sehr oft in Bereichen, die zu Beginn nicht auf prominenten Scope-Powerpoint-Folien standen, sondern haben ihren Ausgangspunkt oft im schwer verständlichen vorletzten Punkt der Anforderungsliste.

Ich habe immer wieder erlebt, dass solche Entwicklungen nach go-live noch nach vielen Jahren den Kernpunkt zentraler Unternehmensprozesse darstellen: also gelebte Veränderung im besten Sinne sind - auch wenn sie gerade nicht im Management-Fokus standen.

3. Menschen treiben Veränderung, nicht Systeme

Es ist nicht die Software, die Ihr Unternehmen verändert: sie können mit ein paar wenigen Ausnahmen ein S/4-HANA System exakt genauso nutzen, wie Ihr 20 Jahre altes ECC-System.

Es sind innovative Ideen von Menschen, die auf Anforderungs- wie auf Konzeptions- und Implementierungsseite dafür sorgen, dass neue Prozesse entstehen, alte Prozesse geändert und unnötige Prozesse verschwinden. Dass neue Funktionalitäten Dinge erlauben, die Ihr Unternehmen bislang nicht konnte und Ihnen dadurch Wettbewerbsvorteile bietet.

Damit das passiert, müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein: zunächst brauchen Sie Leute, die das können. Das sind Ihre internen Projektressourcen, die in der Lage sind, Anforderungen sachgerecht zu formulieren und mögliche Lösungen auf ihre Tauglichkeit zu beurteilen. Und Sie benötigen Prozess- und Systemexperten, die wissen, was machbar ist und was nicht, und wie Systeme auf eine Art genutzt werden können, die Ihnen die möglichen Vorteile bringt. Dann muss solch ein Projekt über eine Projektorganisation verfügen, die die Projektmitarbeiter nicht behindert, sondern unterstützt und dadurch in die Lage versetzt, innovativ tätig zu werden. Und drittens benötigt das Projekt einerseits klare Zielsetzungen und Prioritäten, andererseits jedoch auch den Freiraum, unerwartete Potenziale nutzenstiftend zu realisieren.

Erfolgreiche Veränderung schafft die Einsicht: es ist möglich! Auch wenn sich viele Unternehmen mit Veränderung schwer tun. Erfolgreiche Veränderung schafft Zufriedenheit und eröffnet dabei Spielräume für zukünftiges Potenzial. Und erfolgreiche Veränderung ist die Grundlage für Markterfolg - im Sinne einer nachhaltigen Veränderung des Unternehmens als Ganzes.

Gestalten Sie Ihren Erfolg!