Grensing

Business Technology Consulting GmbH

Beim nächsten Mal wird alles anders!

2018-09-19

Der Umstieg von SAP ECC auf S/4 HANA bringt den Wechsel des dafür notwendigen Datenbanksystems mit sich. Das heißt: soll das bestehende System unverändert übernommen werden, muss die komplette Datenbank nach HANA konvertiert werden. Da das einen nicht unbeträchtlichen Aufwand bedeutet, denken viele Unternehmen darüber nach, die Gelegenheit zu nutzen und ihre SAP-Konfiguration "auf grünem Rasen" neu zu implementieren: der sogenannte Greenfield-Approach.

Ein Argument dafür hört man häufig: Endlich Standard! Endlich können die Berge von Eigenentwicklungen, mit denen man über Jahre sein SAP-System zugekleistert hat auf den Schrotthaufen der Geschichte wandern und man kann sein Business mit einem neuen, jungfäulichen Standardsystem - am besten cloudbasiert - in eine glänzende Zukunft führen.

Und dann nimmt jemand die Liste der alten Entwicklungen - nur um sicherzugehen - und fragt noch einmal nach: "Kann das weg?"

Nein. Natürlich nicht. Denn um diesen Prozess im Standard abzubilden, bräuchte man eines der Module, die bei S/4 "aufpreispflichtige Sonderausstattung" sind. Viel zu teuer.

Ok. Nächste Entwicklung. Kann die weg?

Nein. Auch nicht. Das Business würde dem nie zustimmen. Das ist eine Funktionalität, die für das Unternehmen über die Jahre essentiell geworden ist. Geht im Standard so nicht. Brauchen wir.

Ok. Weiter. Nächster Punkt?

Das ist doch die Schnittstellenentwicklung zu unserem XY-System. Unverzichtbar.

Und so geht das weiter und weiter. Am Schluss sind da noch zwei alte Dreckecken, die wirklich weg können. Aber ansonsten wird das neue System so aussehen wie das alte.

Monatelang werden ARIS-Prozessdiagramme gemalt werden, damit nach oben und nach außen das Narrativ der "Greenfield-Implementierung" erhalten bleibt und am Schluss endlich einmal die Verkaufsbelegarten einer einheitlichen Namenskonvention folgen.

Wirklich jetzt?

Schade um das Geld!

Um da klare Worte zu sprechen: Ändern sich über die Jahre Geschäftsmodelle, Prozesse und Unternehmensstrukturen, ist ein Greenfield-Approach eine sinnvolle Sache, damit die neue Wirklichkeit auch systemtechnisch zeitgemäß abgebildet wird. Ist die Erwartungshaltung lediglich, durch eine Neuimplementierung ein "besseres" System zu erhalten, muss sich das in der Vorgehensweise des Implementierungsprojekts auch widerspiegeln. Das über die Jahre in Konfiguration und Softwareentwicklung kristallisierte Know-how sollte der Ausgangspunkt für eine intelligente Weiter- und Neuentwicklung sein. Vieles, was da gemacht wurde, wurde oft genug nicht sonderlich gut gemacht. Aber es enthält wertvolles Unternehmenswissen, das andernfalls verloren wäre und dann wird mit großem Aufwand genauso schlecht erneut entwickelt.

Aktive Prozessarchitektur kennt Prozesse und Eigenentwicklungen. Weiß, welche erhalten bleiben müssen. Weiß, welche neu strukturiert oder redesignt werden müssen, und weiß, welche endlich abgeschafft gehören. Aktive Prozessarchitektur muss diesen Entwicklungspfad aufzeigen und daran das Implementierungsprojekt und dessen Narrativ orientieren. Aus externer und Managementsicht scheint es verlockend, den Standardweg zu gehen und von Null anzufangen. Da bleibt das Ergebnis aber leider zu oft hinter den eigentlichen Erwartungen zurück. Weil das Projekt zu viel Zeit mit Lernerfahrungen verbringt, die das Unternehmen in den letzten zwanzig Jahren eigentlich schon gemacht hatte.