Grensing

Business Technology Consulting GmbH

Zwanzig Jahre später - Gestaltungsorientiertes IT-Management revisited

2018-03-23

Es ist jetzt über zwanzig Jahre her, seit ich das Beratungsleitbild des gestaltungsorientierten IT-Managements entwickelt habe. Daher ist es an der Zeit, die Bestandteile dieses Konzepts in ihrem Zusammenhang erneut darzustellen und sich ein paar Gedanken darüber zu machen, ob dieses Konzept noch zeitgemäß ist.

Die Ausgangslage

In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts herrschte in Bezug auf Fragen des IT-Managements Aufbruchsstimmung: das Aufkommen des Internets, die drohende Jahr-2000-Problematik sowie die wachsende Bedeutung von SAP R/3 als vollständig integriertem ERP-System für mittelgroße und große Unternehmen stellten viele Unternehmen vor die Aufgabe, Prioritäten zu setzen. Damit stellt sich unmittelbar die Frage, welchen Beitrag einzelne Maßnahmen am Unternehmenserfolg leisten können.

Klassische Instrumente der Unternehmensführung - insbesondere die Investitionsrechnung - funktionieren immer wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Eine davon ist die sogenannte "Ceteris-Paribus-Bedingung". Verändere ich eine Variable, muss ich alle anderen konstant lassen, sonst verliert das Ergebnis seine Aussage. Sieht man in einem Business Case umfangreicher IT-Investitionen mehr als nur ein "zeremonielles Rationalitätssurrogat", wird schnell klar, dass Maßnahmen, die geeignet sind das Marktverhalten und die Marktperformance eines Unternehmens im Wettbewerbsumfeld merklich zu verändern, diese Voraussetzung verletzen: Wie soll die Ertragsseite einer Investitionsrechnung bewertet werden, wenn selbst das nicht vorhersehbare Verhalten der anderen Marktteilnehmer den möglichen Ertrag direkt beeinflusst, weil die durch das IT-System bewirkten Veränderungen beispielsweise der Servicequalität ähnlich gelagerte Reaktionen der Konkurrenz verursacht?

Die Wissenschaft hat dieses Problem von Anfang an gesehen: so zeigten damals bereits öknometrische Studien, dass es Unternehmen oftmals schwer fällt, den Nutzen von IT-Systemen in Unternehmensgewinne zu verwandeln. Vielmehr sorgte der Wettbewerb, sowie die Ähnlichkeit - und damit Imitierbarkeit - der meisten IT-Maßnahmen anstatt dessen zu einer Steigerung des Konsumentennutzens. Gleichzeitig hieß dies jedoch nicht, dass ein Unternehmen auf IT-Investitionen verzichten konnte: aus dem strategischen Vorteil wurde strategische Notwendigkeit.

Das Rezept

Die Frage, ob eine Investition durchgeführt werden soll, rückt also in den Hintergrund. An ihre Stelle tritt die Frage, wie eine solche Investition durchgführt wird. Hier werden die Handlungsspielräume relevant, die ein Unternehmen ausnutzen kann. Und in Bezug auf die Gestaltung von IT-Systemen in ihrem Gesamtzusammenhang sind die enorm.

Das Konzept des gestaltungsorientierten IT-Management unterscheidet dabei zwischen sechs Faktoren: vier Gestaltungsfaktoren und zwei Restriktionsfaktoren. Die Restriktionsfaktoren sind:

  • die Unternehmensumwelt: die Unternehmensumwelt beschränkt das Handeln von Unternehmen in vielerlei Hinsicht. Kunden, Lieferanten, Wettbewerber, Anteilseigner, Banken, der Gesetzgeber, nichtstaatliche Organisationen und viele mehr haben großen Einfluss auf die Handlungsmöglichkeiten von Unternehmen.
  • die Unternehmensgeschichte: jedes Unternehmen hat eine Geschichte, die in ihrer Pfadabhängigkeit zukünftiges Handeln bewusst und unbewusst beeinflusst. Die Zusammensetzung des Personals und des Managements, die Unternehmenskultur, die Ressourcenausstattung, Marktreputation und das Produktspektrum sind nur Beispiele für den Einfluss, den die Zeit auf Unternehen hat.

Gestaltungsfaktoren, auf die ein Unternehmen also direkten gestalterischen Einfluss ausüben kann, sind:

  • die Unternehmensstrategie
  • die Unternehmensorganisation
  • der Personaleinsatz
  • die Technologie.

Ziel ist hierbei, die Handlungsspielräume aller Faktoren so auszunutzen und gegeneinander abzustimmen, dass ein für das Unternehmen optimales Ergebnis erzielt werden kann.

Relevanz und Ausblick

Meiner Beobachtung nach sind Unternehmen heute in dieser Frage weiter als vor noch zwanzig Jahren. War damals die Motivation für die Einführung von SAP R/3 gerne die Tatsache, dass es jeder macht, stehen heute vielfach konkrete fachliche Anforderungen im Vordergrund. Dennoch beeinflussen inhaltsleere, beliebige Schlagworte ("Digitalisierung") die Diskussion und stellen zunächst einmal Verfahren und Werkzeuge in den Vordergrund und nicht deren Potenzial, Unternehmen substanzielle Marktvorteile zu verschaffen. Neuere wissenschaftliche Studien bestätigen dabei die damalige Aussage über die Wichtigkeit der fachlichen Gestaltung uneingeschränkt. Daher bleibt für mich auch in den nächsten Jahren das Leitbild des gestaltungsorientierten IT-Managements Kernpunkt meiner Arbeit.

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