Grensing

Business Technology Consulting GmbH

Wenn SAP zum Bremsklotz wird

2017-07-31

Nicht nur Digitalisierung und Industrie 4.0 verlangen Innovation, meistens sind es Anwender, Kunden, Lieferanten, behördliche Regulierung, das Marktumfeld...

Und der Markt für IT-Technologien kann das liefern: Big Data, Microservices, agile Softwareentwicklung. Es könnte sehr einfach sein. Denn technisch kann man auch in einem SAP-Umfeld all diese Dinge ohne großen Aufwand umsetzen.

Nimmt man jedoch die konzerninterne SAP-Entwicklungsrichtlinie zur Hand, wird jegliche Innovation durch Sätze wie diese im Keim erstickt:

  • "Die Genehmigung erfolgt ausschließlich durch den Freigabeverantwortlichen.",
  • "Die Nutzung ist auf produktiven Systemen im gesamten Konzern verboten."
  • "Der Verwendungsvorbehalt der zentralen Stammdatenverantwortlichen bleibt aufrechterhalten."

Hier prallen Welten aufeinander. Denn auf der einen Seite möchte man experimentieren, Dinge vorwärts treiben, Fortschritt und Nutzen schaffen, auf der anderen Seite steht der Wunsch nach stabilen, skalierbaren, harmonisierten und einheitlichen Unternehmensprozessen. Und da sind Freigaben, Genehmigungen und Abstimmungen erst einmal kein Selbstzweck sondern leider das Resultat schmerzhafter Erfahrungen. Ein integriertes System kann eben auch leicht integriert an die Wand gefahren werden.

Fein raus sind hier Unternehmen, die Architekturkompetenz mobilisieren können - in-House oder extern. Doch das wird immer schwieriger: der Nachwuchs an kompetenten SAP-Experten wird dünner. Angesichts der niedrigen Preise für IT-Spezialisten aus Osteuropa oder Indien findet ein Aufbau eigener Kapazitäten mit Programmier- und Anwendungskenntnissen weder bei Beratungs- noch Anwenderunternehmen in großem Umfang statt. Oder umgekehrt gesehen: welcher junge Mitarbeiter möchte in einem Bereich arbeiten, vom dem er mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass die nächste Outsourcing-Welle kommt, bevor er so viel Erfahrung gesammelt hat, dass er gefahrlos einer hochqualifizierten und gefragten Tätigkeit als Architekt nachgehen kann? Und der normale Karriereweg in Osteuropa oder Indien führt in aller Regel ins Management anstatt in eine Tätigkeit als Spezialist.

Deshalb sind mittelfristig zwei (Extrem-)Szenarien denkbar, für die sich Unternehmen entscheiden müssen:

  • die Rolle von SAP wird auf den puren Kern reduiert: elementare Finanzbuchhaltungs- und Logistikfunktionen, den Rest erledigen funktional stärker ausgeprägte mehr oder weniger vernetzte Cloud-Insellösungen, die von ihren Anbietern gepflegt werden, oder
  • innovative neue Anwendungen und Prozesse werden nahtlos in eine umfassende SAP-Welt integriert. Das aber zum Preis einer ausgeprägten Kompetenzentwicklung und -förderung - entweder in-House oder aber in langfristiger Zusammenarbeit mit spezialisierten Anbietern.

Beides wird teuer. Aber erfolgreich werden Unternehmen sein, die es verstehen, solche Entscheidungen bewusst zu treffen und langfristig umzusetzen.

Denn die dritte Alternative ist für die meisten Unternehmen nicht wirklich realistisch, da sie de-facto sogar noch viel mehr Know-how benötigt:

  • Radikale Standardisierung aller Prozesse und komplette Umsetzung durch SAP-Standardfunktionalität

Es bleibt die Erkenntnis: ohne Kompetenz geht es nicht. Unternehmen, die daran aktiv nicht mitarbeiten wollen, werden mittelfristig ihre IT-Welt nicht mehr beherrschen.