Grensing

Business Technology Consulting GmbH

Materialarten

2017-02-21

Klar, man könnte Blogartikel über die Vorteile cloudbasierter S/4-HANA Implementierungen schreiben. Oder warum Mitarbeitermotivation für den RoI einer BigData-Initiative ausschlaggebend ist.

Warum also dann Materialarten?

Das Feld ist auch 2017 immer noch da. Und es hat immer noch die gleiche dämliche Funktionalität wie all die Jahre davor. Und weil ich seit 20 Jahren in meinen Projekten immer die gleiche Geschichte erzähle, ist es also auch hier fällig.

Die Materialart ist ein globales Attribut im SAP Materialstamm. Nicht SAP-Projekt-global (also bis zum Zaun der Konzernzentrale), sondern global-global (so wie in: alle M4-Schrauben weltweit haben die gleiche Materialnummer). Was es noch schlimmer macht: einmal angelegt, kann man die Materialart nicht mehr ändern. (Ok, man kann unter bestimmten Bedingungen. Die sind aber in der Regel nicht erfüllt, wenn man es möchte.)

Also muss man sich beim Anlegen eines neuen Materials ganz genau überlegen, welche Materialart man nimmt.

Ginge es nur darum, ein Material zu Auswertungszwecken zu klassifizieren, könnten wir hier aufhören: suchen Sie sich etwas Schönes heraus.

Leider ist die Materialart ein steuerndes Feld.

Sie steuert (in erster Linie):

  • ob bei der Pflege des Materialstamms ein Feld Pflichtfeld, sichtbar oder unsichtbar ist,
  • ob ein Material in einem Werk bestandsgeführt und/oder bewertet ist und
  • welche Bewertungsklasse einem Material zugeordnet werden kann, also die Steuerung der Bestandskontenfindung.

Jetzt gibt es Menschen, die genau das tun möchten: sie möchten die Pflege des Materialstamms steuern und Felder an- und ausschalten, oder sie möchten die möglichen Bewertungsklassen ganz genau eingrenzen.

Die SAP hat vor vielen Jahren (leider) Beispielmaterialarten definiert. Da Dinge, die SAP tut automatisch "Best Practice" sind, unterscheidet man also gerne in "Fertigmaterialien", "Halbfertigprodukte" und "Rohstoffe". Genausogut hätte man auch in feste, flüssige und gasförmige oder rote, gelbe und grüne Materialien unterscheiden können, es ist genauso (nicht) hilfreich. (Mir ist in einem Projekt einmal die drollige Materialart "Tiere" begegnet.)

Warum?

Zurück zum Zaun und der Schraube: wir erinnern uns, die Materialart ist global. Und während es im ersten Rollout im Stammwerk in Deutschland noch vollkommen klar ist, was Fertigprodukt und Halbfertigprodukt ist (der Praktikant, der im Integrationstest die Testmaterialien anlegt kommt zwar am Tag dreimal angelaufen und fragt, wie man jetzt Rohstoff von Halbfertigprodukt unterscheidet, aber das liegt am Praktikanten), aber spätestens im zweiten Rollout fällt kurz vor go-live jemandem durch Zufall auf, dass ein paar von den Dingen, die in Deutschland "Rohstoff" waren, seit letztem Monat hier in Lampukistan gefertigt und dann nach Deutschland verkauft werden. Jetzt, wo sich jemand so eifrig die Mühe gemacht hat sicherzustellen, dass das nicht geht, weil man die Verkaufssicht des Materialstamms in dieser Materialart sorgfältig ausgeblendet hat.

Mir begegnen dann regelmäßig Leute, die das nicht schlimm finden und dafür separate Materialien anlegen möchten. Die haben das mit der Steuerung einer globalen Supply-Chain aber noch nicht verstanden. Geht. Gar. Nicht.

Tatsächlich braucht man nur drei Materialarten:

  • Bestandsgeführt und bewertet
  • Bestandsgeführt und unbewertet (z.B. Kundenmaterialien bei aktiver Lohnbearbeitung)
  • nicht bestandsgeführt (z.B. Dienstleistungen und Planungsmaterialien)

Eventuell gibt es noch den Sonderfall "Pipelinematerial" (Abrechnung nach Verbrauch).

Jede weitere macht später potenziell Ärger und sorgt für Folgeaufwand.

Ja, man muss bei der Festlegung der Bewertungsklasse die richtige auswählen.

Ja, alle Felder sind auf. (Wenn man den Materialstamm steuern möchte, ist dies global mit der Materialart sowieso eine Holzhammermethode.)

Aber dann ist dieses Feld nicht im Weg und man kann voll motiviert in der eingesparten Zeit den RoI der cloudbasierten HANA-Lösung in die Höhe treiben!